„Hoch auf dem gelben Wagen sitz ich beim Schwager vorn...“

Von Renate Schäfer

Den Text dieses fröhlichen Liedes schrieb 1879 der Dichter und Schriftsteller Rudolf Baumbach. Sicher erinnern sich viele unserer Leser an dieses Lied aus dem Schulunterricht; bekannt wurde es auch durch den sangesfreudigen früheren Bundespräsidenten Walter Scheel und den Schlagersänger Heino.

 (Schwager ist hier kein Verwandtschaftsgrad, sondern soll vom französischen „Chevalier“= Reiter, Ritter abgeleitet sein)

 

Dem Liedtext nach musste die Reise mit der Postkutsche eine erholsame Unterbrechung des alltäglichen Lebens sein und den Reisenden durch wunderbare Landschaften fahren bis zu seinem Ziel, ähnlich einer Ausflugsfahrt mit dem heutigen Reisebus.

 

In diesem Jahr führte der Ausflug des Museumsvereins uns zum das Mecklenburgischen Kutschenmuseum in Kobrow bei Sternberg. Etwa 200 Kutschen, geputzt und gepflegt, einschließlich eines eifrigen und mit allen technischen Details der Kutschenparade vertrauten Museumsführers, warteten auf uns, darunter ,selbstverständlich, auch zwei in schönstem Gelb leuchtende Postkutschen. Eine Freude musste es sein zu reisen, mit tüchtigen Pferden davor und einem schicken Postillion auf dem Bock!

 

War das wirklich so? Zunächst ein kurzer Rückblick auf die Geschichte.

 

Schon in frühen Zeiten, bei Römern und Griechen, in ganz Europa, gab es Kurierdienste. Reiter transportierten Nachrichten, oft politischen oder militärischen Inhalts, um Regenten mit den neuesten Nachrichten zu versehen. So galt im 15. Jhdt. der französische König Ludwig XI. als der am besten informierte Mensch in seiner Zeit. Ende des 15. Jahrhunderts gab es bereits eine Kurier-Verbindung zwischen Brüssel und Innsbruck. Kaiser Maximilian I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, beauftragte die italienische Kurierfamilie Thurn (später Thurn und Taxis) mit dem Postdienst. Die Taxis wurden bald zu einer mächtigen Wirtschaftsmacht. Bis ins 19. Jahrhundert wurden die großen europäischen Städte durch ihre Kurierdienste verbunden.

Nach dem Endes des 30-jährigen Krieges (1648) übernahmen die souveränen Fürsten die Postgewalt. Staatliche Poststellen wurden eingerichtet, die Beförderung durch die Post wurde auf das Land ausgedehnt, das Zeitalter der „Wagenpost“ begann. In Preußen z.B. wurden die entsprechenden Gesetze erlassen, sehr zum Ärger der bäuerlichen Fuhrleute, die bis dahin Reisende von Dorf zu Dorf kutschiert hatten.

 

Die Post verkehrte nun nach Fahrplan und zu gemäßigten Preisen. Allerdings waren die Postkutschen sehr unbequem: Im Norden des Landes verkehrte der Stuhlwagen, ein Leiterwagen mit oder ohne Verdeck, ohne Lehnen für die Sitze und ohne jede Federung. Die Reisenden saßen eng aneinander, wurden bei jedem Schlagloch nach oben katapultiert und kamen oft mit einigen Blessuren an ihr Ziel.

 

Leute von Stand benutzten diese Fahrzeuge nicht. Sie hatten ihre eigenen Equipagen, deren Luxus im Kutschenmuseum zu bewundern war, oder reisten im Mietwagen. Nie hätte sich ein Adliger zwischen Marktfrauen, Handwerker oder Gouvernanten in ein stickiges Coupé begeben. In jedem Falle aber war das Reisen eine Tortur für die Menschen. Die Straßen waren schlecht, selten gepflastert, schmal und voller Löcher. Der Postillion, nicht selten alkoholgetränkt, verfuhr sich häufig im Dunkeln, rutschte über nasse Rasenflächen oder sein Gefährt stürzte in einen Graben. Ein Chaos entstand im Inneren des Wagens. Die Gäste fielen aufeinander und hatten größte Mühe, sich wieder aufzurappeln, besonders, wenn ein korpulenter Reisegenosse auf ihnen lag. Mühsam quälte man sich aus den Fenstern nach draußen.

 

Es gab keinen TÜV für die Fahrzeuge. Oft brachen die Achsen oder die Deichsel und Räder sprangen während der Fahrt ab. Wagen stürzten um und ver- sanken im Morast. Auch wenn die preußische Postverwaltung 1772 den Postillionen 50 Stockprügel androhte, wenn sie das Unglück verschuldet hatten, änderte sich nichts.

 

Eine Gefahr für die Reisenden waren auch Überfälle und Diebstähle von Räubern, die sich hinter Hecken und in Wäldern versteckt hatten. Eine Waffe mitzunehmen und sein Geld am Körper, z.B, in Strümpfen, zu bewahren, konnte größeren Schaden abwenden.

 

Bei einer längeren Reise wurde in Wirtshäusern übernachtet, in denen Tier und Mensch mit Speis und Trank versorgt wurden. Man übernachtete im Lokal. Das erforderte starke Nerven, denn das „Bett“ bestand häufig nur aus einem Strohhaufen, oder, falls ein Bettgestell vorhanden war, starrte es vor Schmutz und war kaum benutzbar.

Die Geschwindigkeit der Postkutschen ähnelte in der Anfangszeit der Schneckenpost. In den Quellen der damaligen Zeit wird berichtet , dass eine Reise von Berlin nach Königsberg 72 Stunden dauerte, von Wuppertal nach Königsberg 14 Tage.

 

Mit der Verbesserung der Straßen und Fortschritten im Wagenbau wurde das Reisen langsam komfortabler. Der Wagenkasten ruhte auf Stahlfedern, das Fahren mit der Postkutsche auf gefederten Sitzen mutierte zum genussvollen Luxus. Auch an der Organisation wurde gearbeitet. Wie heute bei Flugreisen durfte nur eine begrenzte Zahl an Gepäckstücken mitgenommen werden, so entfiel das zeitraubende Ein-und Ausladen an den Haltestationen.

 

Der häufige Ärger über die Reisekosten, die während der Reise gezahlt wurden, änderte man durch festgelegte Preise, die zu Beginn Reise bezahlt werden mussten. Schluss war auch mit den oft betrunkenen Kutschern. Sie hatten sich zu benehmen und an feste Zeiten zu halten. Festgelegt war auch die Aufenthaltszeit an den Stationen: fünf Minuten zum Wechseln der Pferde, fünfzehn Minuten zum Umladen des Gepäcks und Ein- und Aussteigen der Gäste. Die Zeit wurde von Kondukteuren streng kontrolliert und notiert. Auf diese Weise wurden im 19. Jahrhundert die Zeitspannen der Fahrten reduziert: Hatte eine Reise von Berlin nach Breslau einst 85 bis 91 Stunden gedauert, erfreute man sich jetzt an nur 31,5 Stunden für dieselbe Strecke. Das entsprach einer Höchstgeschwindigkeit von 14 km die Stunde; für die Zeitgenossen damals war das eine außergewöhnliche Schnelligkeit. Die gute alte Postkutsche gab es nicht mehr. Die Beförderung übernahmen die Eilwagen oder Schnellpostkutschen.

 

Mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes gewann das Reisen weiter an Geschwindigkeit. Die Fahrpläne der Bahn wurden mit denen der Eilwagen abgestimmt. Durch die Motorisierung Anfang des 20. Jahrhunderts fuhren bald die ersten Autobusse, die so genannte Kraftpost; vorbei war die Zeit der guten alten Postkutsche. Doch viele Menschen trauerten um die gemütlichen Kutschfahrten, in denen man langsam durch die Lande fuhr und sich an der Natur erfreute, die Geschwindigkeit der neuen Zeit war ihnen nicht geheuer.

 

Der zuerst erwähnte Dichter Rudolf Baumbach soll uns noch einmal an die „wunderbaren “ Fahrten von einst erinnern:

 

Es melden Bücher und Sagen so manches Wunderding

von einem gelben Wagen, der durch die Länder ging.

Die Kutsche fuhr, man denke, des Tages drei Meilen weit

und hielt an jeder Schenke -

 

O gute, alte Zeit!

 

Es ward von den Passagieren zuvor das Haus bestellt.

Sie schieden von den Ihren, als ging´s ans Ende der Welt.

Sie trugen die Louisdore vernäht in Stiefeln und Kleid,

im Sack die Feuerrohre –

 

O gute, alte Zeit!

 

Oft, wenn die Reisegenossen sich sehnten nach Bett und Wirt,

da brummte der Schwager verdrossen: „Potz Blitz! Ich hab mich verirrt!“

Von fern her Wolfsgeheule, kein Obdach weit und breit,

es schnaubten zitternd die Gäule –

 

O gute, alte Zeit!

 

Auch war es sehr ergötzlich, wenn mit gewaltigem Krach,

in einem Hohlweg plötzlich der Wagen zusammenbrach.

War nur ein Rad gebrochen, so herrschte Fröhlichkeit.

Mitunter brachen auch Knochen -

 

O gute, alte Zeit!

 

 

Der Abenteuer Perle war doch das Waldwirtshaus.

Es spannten verdächtige Kerle die müden Schimmel aus.

Ein Bett mit Federdecken stand für den Gast bereit,

 das zeiget blutige Flecken –

 

O gute, alte Zeit!

P { margin-bottom: 0.21cm; } Die Magie des Rohrstocks

Von Gerrit Gätjens

Das hat uns ja auch nicht geschadet!“ ist ein Satz, den man leider gar nicht so selten von Erwachsenen hört, wenn körperliche Züchtigung in der Schule oder auch zuhause rechtfertigt werden soll.

 

Doch die Begeisterung für den Rohrstock, ein wichtiges Requisit meiner „Unterrichtsstunden“ im alten Schulraum des Museums, hält sich bei den Erwachsenen sehr in Grenzen. Gequälte Gesichter und – meist bei den Frauen – der Blick auf die Hände lassen die unangenehmen Erinnerungen erahnen, und so mancher Kommentar über sadistische Lehrer wird geäußert.

 

Anders die Reaktionen der Kinder aus den Grundschulen, die zu uns kommen. Sie haben, zumindest in der Schule, ja noch keinerlei Erfahrung mit diesem „Lehrmittel“ gemacht (so hoffe ich jedenfalls), denn seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist die körperliche Züchtigung in deutschen Schulen verboten (nun ja, in Bayern hat man etwas länger, nämlich bis 1983 gebraucht). Aber gehört haben offensichtlich viele von ihnen bereits davon. Das jedenfalls lässt die Neugier vermuten, die dieser Erziehungsmaßnahme entgegengebracht wird.

 

Schon beim Betreten des Raumes wird gelegentlich die Frage laut, ob der Stock – bei uns ja kein Rohrstock, sondern eine Haselrute, die meist gut sichtbar auf dem Pult liegt - denn auch zum Einsatz komme. „Immer schön der Reihe nach“, sage ich dann, wedele etwas drohend mit dem Ding in der Luft und beginne meinen Vortrag, ohne weiter darauf einzugehen. Ist es dann endlich soweit und das Thema Strafen an der Reihe, ist meist auch bei dem verschlafensten Schüler bzw. Schülerin die Müdigkeit verflogen. Aber zunächst steigere ich die Spannung noch, indem ich erst einmal aus dem Strafregister vorlese. Schließlich gehört es ja zum pädagogischen Konzept, die Verfehlungen zu benennen, die Anno Tobak zur Debatte standen und die heutzutage fernab jeder Realität erscheinen bzw. überhaupt jeder Möglichkeit, sie zu begehen – wie beispielsweise der Diebstahl von Erdbeeren aus dem Schulgarten.

 

Erstaunlich begeistert fliegen die kleinen Händchen in die Luft, wenn ich frage: „Und? – Wer will mal?“ Schwierig ist dann die Auswahl; man möchte ja niemanden benachteiligen. Ein freches Gesicht gepaart mit vorlautem Benehmen wäre normalerweise ein schönes Kriterium – hier findet man sich als „Lehrer“ in der paradoxen Situation, gerade dadurch aufmerksamkeitsheischendes Vordrängeln zu belohnen. Mitunter hätte ich vermutlich kein Problem, den Rest der Zeit mit der „Straf-Show“ zu füllen und alle der Reihe nach antanzen zu lassen.

 

Habe ich ein Mädchen oder einen Jungen ausgesucht, lasse ich den „Missetäter“ sein Vergehen anhand der Auswahl selber bestimmen; meist hilft die Klasse gerne mit. Und gerne auch dabei, das Strafmaß zu bestimmen. Zum Glück haben die meisten gut aufgepasst und die vorgeschlagene Anzahl der Schläge bewegt sich im Rahmen des historisch Vorgegebenen; drei bis vier Hiebe sind es in der Regel.

 

Ja, und dann... saust der Stock durch die Luft. Und die Enttäuschung ist nicht selten groß, wenn ich kurz vor den betreffenden Körperteilen abbremse und sie nur sachte touchiere. Und das sogar oft genug bei den Delinquenten selbst, die mich dann ermuntern, doch mal so richtig feste... Kindliche Neugier macht offensichtlich auch vor solchen Erfahrungen nicht halt.

 

Kinder“, sage ich dann, „so gerne ich euch den Gefallen täte - ich darf das nicht. Das darf überhaupt niemand. Und ihr solltet froh darüber sein!“ Und dann denke ich an die leidvollen Gesichter mancher älteren Gäste bei diesem Thema und hoffe, dass die Kinder das, wenn nicht sofort, so doch auf lange Sicht begreifen. Schön wäre es.

 

 

Von Bienen und Moskitos

Von Thomas Utz

Die Geschichte spielt damals, als es noch sommerliche Museumsfeste gab, die weit über das Dorf hinaus ein Ereignis waren, das Besucher aus nah und fern anzog. Mein Nachbar, er war Imker, lud mich ein, mit ihm zusammen sein Schauvolk zu präsentieren. Dazu hatte er einen kleinen Bienenkasten gebaut, dessen Rückseite aus Plexiglas war. Eine Königin mit einigen Arbeiterinnen krabbelten auf der Wabe, so dass sie von außen gut zu beobachten war, die Bienen aber nicht wegfliegen konnten da das Flugloch durch ein Fliegengitter versperrt war.

 

Wir saßen eine ganze Weile und gaben bereitwillig Auskunft auf die verschiedenen Fragen zum Leben und Treiben der kleinen Honigsammlerinnen. Wieviel Honig produziert so ein Volk, wie alt werden die Bienen, was hat es mit dem Schwärmen auf sich und Ähnliches. Irgendwann setzte sich der Vater meines Freundes K. zu uns und hörte interessiert zu. Da näherte sich ein sehr selbstbewusst auftretender Herr, begleitet von einer auffällig getakelten Dame. Dem Tonfall seiner Rede nach kam er aus der, damals noch nicht – oder vielleicht auch gerade wieder gewordenen Hauptstadt. „Sind das Wespen? Das sind doch Wespen!“ fragte er und gab selbst die Antwort. Mein Nachbar und ich schauten uns fassungslos ob solchen Unwissens an.

 

Da ergriff der Vater meines Freundes die Initiative. Beredt machte er unserem Besucher klar, dass es ich keinesfalls um Wespen, sondern tatsächlich um besonders große Moskitos handle, die man züchte. Unser Besucher war kurz sprachlos, schaute ungläubig, fügte sich dann aber den bestimmt und im Brustton der Überzeugung vorgetragenen Erklärungen. Schließlich stimmte er zu und erklärte seiner Begleiterin: „Siehst du, Kleine, das sind Moskitos.“

Alles schön(walde) hier, oder?

Von Gerrit Gätjens

Der Morgen verspricht, ruhig zu werden. Es ist ein paar Minuten nach 9 Uhr, der erste Kaffee entfaltet gerade seine Wirkung. Auf dem Computer am heimischen Schreibtisch werden die Tagesaktualitäten gecheckt, da klingelt das Telefon. Ungewöhnlich daran ist der Anlass des Anrufes: Am anderen Ende berichtet Frau Michaelsen nicht ganz ohne Aufregung, eine bzw. zwei Schulklassen stünden vor dem Museum. Sie seien für heute angekündigt und nun sei keiner da, der sie betreue.

 

Schreck! Schnell werden während des eiligen Versuches, sich ausgehfertig zu machen, noch alle Terminkalender abgefragt – nichts! Auch nicht an den beiden Tagen direkt davor oder danach. Hat endlich der berüchtigte Terminkalender-Diabolus zugeschlagen? Egal, erstmal schnell nach Schönwalde. Doch halt – waren da nicht zwei Klassen angekommen? Das schaffe ich doch gar nicht alleine. Meine Kollegin Renate ist verreist; bleibt noch Kollege Toni Schöfer. Den erwische ich noch gerade, bevor er das Haus verlässt, um gemütlich einkaufen zu fahren. Toni zeigt sich nach Schilderung der Situation als höchst flexibel und erklärt ohne große Umschweife. „Ich komme!“ Das ist umso bemerkenswerter, weil er nun seiner Gemahlin erklären muss, das aus dem geplanten Einkaufsbummel nichts wird.

 

Am Museum angekommen versuche ich zunächst mal zu klären, wie dieser Termin zustande gekommen ist. Die Lehrerinnen der Klassen können sich aber auch nicht verlässlich erinnern, mit wem sie den abgemacht haben. Zum Glück sind sie - trotz der Tatsache, dass sie aus Reinfeld kommen und für diesen Ausflug eigens einen teuren Bus angemietet haben – nicht besonders in Streitlaune, sondern bleiben insgesamt nett und umgänglich. Nun drängt die Zeit auch etwas; Toni und ich bitten die Kinder hinein und ziehen das Programm durch. Am Ende sind Kinder und Lehrerinnen glücklich und zufrieden. Uff – nochmal gut gegangen.

 

Wer diesen Termin versaubeutelt hat, wird noch zu klären sein, denke ich (hoffentlich nicht ich, denke ich naturgemäß auch). Doch in das Abreisegetümmel der Kinder platzt die Kunde: Seit 9 Uhr morgens wartet jemand vergebens in einem anderen Museum auf die beiden Klassen – nämlich in Schönberg im Kreis Plön! Von diesem Termin konnten wir nun mal nichts wissen...